Nachgehakt bei Mareike Lambertz

Liebe Mareike, schön, dass du dir kurz Zeit für uns nimmst. Schon lange ist bekannt, dass eine pflanzenbetonte Ernährung nicht nur gesundheitsförderlich ist, sondern eben auch unserer Umwelt guttut. Damit wir auch zukünftig alle gesund satt werden können, ist es an der Zeit umzudenken und etwas zu verändern. Als vegane Ernährungsberaterin ist „plant based“ voll dein Thema. Wir freuen uns schon auf deine Tipps.

∞     Durch Ernährung die Welt retten?

Wir sehen, dass mehr als ein Drittel der globalen CO2-Emissionen auf unsere Ernährung und deren Herstellung zurückzuführen sind. Definitiv ein Wert, der uns als Gesellschaft zwingt, zu handeln! Auch individuell lohnt es sich, genauer hinzuschauen: 1,7 Tonnen CO2-Äquivalente von den durchschnittlichen 8,6 Tonnen pro Person sind unsere Ernährung, das sind ungefähr 20 Prozent der Gesamtemissionen. Das entspricht in etwa den Emissionen für Mobilität. Stark emissionsverursachend sind vor allem Lebensmittel, die wir aus vielerlei Hinsicht im Übermaß konsumieren, besonders Fleisch und Milchprodukte. Das gleiche gilt für lange Transportwege. Es ist also viel zu erreichen, wenn wir unsere Ernährung anpassen. Dazu gibt es über die Klimakrise hinaus viele weitere positive Effekte und Gründe, uns neu aufzustellen.

∞     Planetary Health Diet- eine zeitgemäße ernährungsform?

Ja! Auch, wenn das Modell natürlich nicht auf jeden einfach übergestülpt werden kann, gibt es uns klare Wegweisungen. Und natürlich kann man dieses Modell individuell anpassen. Beispielsweise geht man durchschnittlich von einem Bedarf von 2.500 kcal/Tag aus, was natürlich nicht für jede Person in jeder Lebenssituation passt. Die Planetary Health Diet ist kein strikter Plan, es ist ein flexibles Modell, das zur Orientierung dient. Konkret geht es darum, eine gesunde, ökologisch und sozial vertretbare Ernährung der gesamten Weltbevölkerung zu ermöglichen. Hier spielen also noch andere Faktoren mit rein wie Schadstoffreduktion, Bekämpfung von Krankheiten und Einhaltung von sozialen Standards. Kurz: Regional, Saisonal, größtenteils pflanzliche Lebensmittel wie Gemüse, Obst, Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte, Nüsse und hochwertiges Pflanzenöl. Außerdem wenig Fisch und Geflügel sowie möglichst nur in Ausnahmen rotes oder verarbeitets Fleisch, zugesetzter Zucker und Weißmehlprodukte.

 

∞     Wie sieht ein konkreter Speiseplan nach Planetary Health Diet aus?

Bildquelle: EAT-Lancet Comission https://eatforum.org/eat-lancet-commission/the-planetary-health-diet-and-you/
  • Gemüse: 300 Gramm (200-600 Gramm)#
  • Milchprodukte (Vollmilch oder aus dieser Menge hergestellte Produkte): 250 Gramm (0-500 Gramm)
  • Vollkorngetreide (Reis, Weizen, Mais oder andere): 232 Gramm
  • Obst: 200 Gramm (100-300 Gramm)
  • Hülsenfrüchte: 75 Gramm (0-100 Gramm)
  • Nüsse: 50 Gramm (0-75 Gramm)
  • Stärkehaltiges Gemüse (Kartoffeln, Maniok): 50 Gramm (0-100 Gramm)
  • Ungesättigte Fette: 40 Gramm (20-80 Gramm)
  • Zucker (alle Süßungsmittel): 31 Gramm (0-31 Gramm)
  • Geflügel: 29 Gramm (0-58 Gramm)
  • Fisch: 28 Gramm (0-100 Gramm)
  • Rotes Fleisch (Rind, Lamm, Schwein): 14 Gramm (0-28 Gramm)
  • Eier: 13 Gramm (0-25 Gramm)
  • Gesättigte Fette: 11,8 Gramm (0-11,8 Gramm)

Diese Zahlen sind die offiziellen Angaben. Die Angaben in Klammern verdeutlichen, dass nicht jeder Mensch überall zu jedem dieser Lebensmittel den gleichen Zugang hat. Deshalb ist das Modell auch als flexibles System anzusehen, da es immer auf verschiedene andere Faktoren trifft und angepasst werden muss.

∞     Ohne Verzicht geht es also nicht?

Verzicht ist nur so lange Verzicht, bis er bereichernd wird. Damit Umstellung nachhaltig und auch alltagstauglich ist, sind strikte Verbote kontraproduktiv. Aber ohne Reduktion verschiedener Lebensmittel und liebgewonnen Gewohnheiten geht es nicht. Wir Menschen haben eine fantastische Eigenschaft: Wir können uns verändern und wachsen, neue Gewohnheiten schaffen und gut finden. Wenn ich mich zum Beispiel gesunder und fitter fühle und die positiven Effekte einer Veränderung spüre, ist das Wort Verzicht schon wieder nicht mehr so bedrohlich. Das betrifft ja auch unsere Psyche: Zu wissen, dass ich mich aktiv daran beteilige, dass unsere Kinder eine Zukunft haben können und ich dem Planeten so wenig wie möglich schade, beeinflusst unser Wohlbefinden auch positiv.

∞     Du selbst bist Veganerin. Ist das nicht voll kompliziert?
Und musst du das Weglassen tierischer Lebensmittel irgendwie ausgleichen?

Es bedarf einer Phase des Umdenkens: Wo bekomme ich was her? Was genau brauche ich? Das meine ich physisch wie auch organisatorisch. Ist das einmal gemacht, ist es eine ganz normale Ernährung – normal ist ja das, was für mich alltäglich und einfach ist. Für mich war die Umstellung einfach, denn es ist meine Leidenschaft und dieser Prozess ist ja zeitlich begrenzt. Nicht alle können oder wollen so viel Zeit darin investieren, und diese Menschen können sich Hilfe holen. Wir lernen ja immer von anderen und deren Expertise, das ist hier nicht anders.

„Ausgleichen“ muss ich nur Vitamin B12. Es gibt ein paar potenziell kritische Nährstoffe, die immer mal angeschaut werden können. Das gilt aber eigentlich für jede Ernährungsform. Die Grundsätze sind für alle gleich – vollwertig, vorwiegend pflanzenbasiert, wenig industriell verarbeitet.

*Mehr Infos zum Thema findest du hier Ab heute vegan? Was sollte ich beachten? – Patienten Rat & Treff

∞     Mit welchen Mythen oder Klischees über vegane Ernährung würdest du gerne einmal aufräumen?

Durch die Supplementierung von Vitamin B12 erscheint vielen diese Ernährungsform als „unnatürlich“. B12 finden wir in tierischen Produkten heutzutage aus verschiedenen Gründen meist nur, weil es dem Futter zugesetzt wird. Da kann ich es auch direkt selbst nehmen und den Umweg über ein anderes Lebewesen sparen.
Auch der Mythos, dass für diese Lebensweise wegen des Sojaanbaus der Regenwald zerstört wird. Soja zum Direktverzehr kommt meist aus Europa oder Kanada. Das „Regenwald-Soja“ landet im Tierfutter.

∞     Seine Ernährung umstellen und Gewohnheiten ändern kostet meist Überwindung. Womit können alle anfangen?

Tierische Produkte reduzieren, Neues ausprobieren! Und ja, Aufschnitt zählt dazu 🙂

∞     Jetzt sind wir gespannt… Wie macht man es der Familie schmackhaft?

Wenn Essen nicht schmeckt, wurde vermutlich einfach nicht lecker gekocht. Das gilt auch für vegane Küche und besonders für Tofu. Ein so vielseitiges Lebensmittel, oft nicht gut gemacht und dann nach einem „Versuch“ verteufelt. Dabei kann man so tolle Dinge damit machen, wenn man den Umgang lernen möchte.
Generell ist es wichtig Gerichte auszuprobieren, die (optisch) ansprechen. Also gerne mal in Kochbüchern oder im Netz stöbern. Vieles erledigt sich dann eigentlich schon von allein und es muss nur noch ausprobiert werden.

Bildquelle: Mareike Lambertz

∞     Und was sagt das Portemonnaie? Ist „plant based“ bzw. vegan nicht viel teurer?

Die Regel ist recht einfach: Verarbeitete Produkte, ob tierisch oder vegan, sind teuer. Viele Ersatzprodukte bemerke ich auch auf dem Kassenzettel. Das liegt leider auch daran, dass viele Länder Fleisch, Eier, Butter und Kuhmilch als Grundnahrungsmittel ansehen und weniger besteuern als umweltfreundliche pflanzliche Alternativen. Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte gehören generell zu den günstigen Lebensmitteln und sollten die Basis jeder Ernährung sein. Dabei können wir uns in dem Zuge auch mal fragen, ob beispielweise der Preis für Fleisch nicht viel zu niedrig ist, oder wer den realen Kosten trägt.

∞     Was wünschst du dir für die Zukunft mit Blick auf die Ernährung?

Weniger Vorurteile, offeneres Herangehen und wieder Spaß daran bekommen, Neues auszuprobieren. Im Sinne der Umwelt, unserer Gesundheit und auch der Tiere müssen wir wirklich etwas verändern und keine Angst davor haben.

∞     Magst du uns noch deine Lieblingsrezepte verraten?

Ich liebe Banh Mi und jetzt vor allem Spargel! –> Stay tuned, Rezepte folgen in Kürze

Vielen Dank Mareike!